Kann die Ästhetik der Vergangenheit künftige Innovationen beeinträchtigen?
VISION
DR. JÖRG KRETZSCHMAR
Biologe
Dr. Jörg Kretzschmar studierte Biologie, lebte allein im Regenwald, arbeitete als Fachberater und beriet Regierungen. Gleichzeitig engagierte er sich für den Erhalt des europäischen Kulturerbes und lehrte über ein Jahrzehnt Kommunikation im Management an einer Universität.
Bis heute ist er in verschiedenen Rollen tätig: als Konzeptentwickler, Berater, Moderator und Business Coach. Jörg lebt im Ruhrgebiet - und anderswo.
Deep Dive
1) Wann fasziniert Sie eine Oberfläche?
Oberflächen, gleich welcher Art, werden faszinierend, wenn sie als eine Form der Kommunikation fungieren - in uns oder zwischen uns und unserer materiellen Umgebung. Diese Kommunikation kann visuell sein, ausgedrückt durch Farbe oder Muster. Sie kann als Ornament dienen oder eine pflegende Funktion übernehmen, etwa zum Schutz der Gesundheit.
Oberflächen ziehen uns in ihren Bann, wenn sie Erinnerungen und Erfahrungen hervorrufen, wenn sie ein Gefühl des Staunens und der Neugier wecken - über etwas, das jenseits von uns liegt, oder sogar über etwas, das in uns selbst verborgen ist.
2) Welche Art der Oberflächengestaltung vermissen Sie?
Was ich wahrscheinlich vermisse, ist das organischere, dynamischere Design, das in den 1970er und frühen 1980er Jahren häufig zu sehen war - eine visuelle Sprache, die noch nicht vollständig den Anforderungen von Effizienz und Skalierbarkeit unterworfen war, eine, die es wagte, weniger formal, weniger linear, weniger zielorientiert zu erscheinen. Es war ein Design der bewussten Unvollkommenheit, der absichtlichen Unterbrechungen - etwas, das heute wieder an Relevanz zu gewinnen scheint, in einer Welt, die von der Optimierung durch Algorithmen und der vermeintlichen Spitzenleistung durch KI besessen ist.
3) Ein Raum. Eine Oberfläche. Was wählen Sie?
Oberflächen schaffen Räume; in manchen Fällen geben sie diesen Räumen überhaupt erst Form und Funktion.
Als Biologin faszinieren mich besonders die Zwischenzustände und Übergänge von der Oberfläche zum Raum. Oberflächen sind Orte der Passage, des Bruchs und der wortlosen Kommunikation.
4) Wie sieht Ihre Vision für die zukünftige Oberflächengestaltung aus?
Ich sehne mich nach einem Design, das mehr tut, als nur eine Funktion zu erfüllen - ein Design, das mich emotional nicht unberührt lässt. Ich erwarte, dass die Wechselwirkung zwischen Oberflächen, ihrer Gestaltung und uns Menschen mit all unseren Wünschen reicher, komplexer, aber auch zerbrechlicher - und damit spannender und bedeutungsvoller - wird.
Ich wünsche mir auch, dass Oberflächendesign etwas wird, das wir selbst direkter gestalten können, das wir in seiner Wirkung auf uns beeinflussen können.